Equal Pay – wer denkt da nicht sofort an Frauen? Logisch, und teilweise zu Recht. Denn im laut Statista 9. reichsten Land Europas und 15. reichsten Land weltweit liegt der durchschnittliche Bruttostundenverdienst der Frauen immer noch um 18,4% (EUROSTAT 2022) unter dem der Männer – und damit sind wir in Europa mit Estland und Lettland Schlusslichter (EU-27-Schnitt liegt bei 12,7%).
Sollten sich Unternehmen des Themas Equal Pay nur annehmen, weil es einklagbares Recht ist? Mitnichten! Obwohl Verstöße empfindlich teuer werden können: Sollten sich Unternehmen des Themas Equal Pay nur annehmen, weil es einklagbares Recht ist? Mitnichten! Obwohl Verstöße empfindlich teuer werden können: Im Juni 2023 legte beispielsweise Google eine Klage über geschlechts- und rassenbedingte Lohndiskriminierung mit einer Zahlung in Höhe von 118 Millionen US-Dollar bei.
Warum sonst Equal Pay auf die Unternehmensagenda setzen? Firmen, in der die Belegschaft weitestgehend männlich ist, könnten sich zurücklehnen, oder? Aber Achtung – bei Equal Pay geht es generell um gleiches Gehalt für gleichen Job bei vergleichbarer Leistung – unabhängig von Geschlecht, Alter, Teilzeit/Vollzeit, Nationalität, Religion, besonderen Bedürfnissen.
Mehrere Gründe treiben das Thema Equal Pay auf die Agenda der Unternehmen:
1. Regulatorische Vorschriften
Regulatorische Vorschriften wie das ESG Reporting und die Entgelttransparenz-Richtlinie der Europäischen Union, die im Juni 2023 in Kraft trat, treiben das Thema Equal Pay auf die Agenda der Unternehmen. Diese Richtlinie verpflichtet Unternehmen, ihre Gehaltsstrukturen offenzulegen und sicherzustellen, dass gleiche und gleichwertige Arbeit gleich bezahlt wird. Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten werden nicht nur regelmäßig Daten zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke veröffentlichen, sondern spätestens ab 2026 Maßnahmen ergreifen müssen, wenn diese Lücke mehr als fünf Prozent beträgt. Diese Vorschriften zwingen Unternehmen, ihre Vergütungssysteme zu überprüfen und Diskriminierungen zu beseitigen, um rechtlichen Konsequenzen und Bußgeldern zu entgehen.
2. Globale Märkte
Der globale Markt erfordert häufig eine internationale Belegschaft: Betreuung internationaler Kundinnen, Produktion in Übersee, weltweite Materialbeschaffung und vieles mehr kann man schwer mit nur heimischem Knowhow bedienen. Daher suchen Unternehmen die geeigneten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schon längst nicht mehr nur vor der eigenen Haustüre, sondern rekrutieren Experten im und aus dem Ausland. Und die Versuchung, Mitarbeiterinnen aus Billiglohnländern schlechter zu bezahlen, um Kosten zu sparen, ist nicht nur eine Form des Lohndumpings, sondern macht sich auf Dauer auch beim Arbeitgeberinnen-Image negativ bemerkbar: ein Teufelskreis, denn auf Social Media sorgen solche Geschichten schnell dafür, dass man keine geeigneten Mitarbeiterinnen mehr findet.
Das Lieferkettengesetz, das auch für das ESG-Reporting verpflichtend wird, zwingt Unternehmen zudem, ihre gesamte Lieferkette auf soziale und ökologische Standards zu überprüfen und gleichwertige und faire Löhne sicherzustellen.
3. Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel bringt Unternehmen dazu, Frauen für Berufe begeistern zu wollen, die vormals fast ausschließlich von Männern besetzt waren. Und mit einem Mal müssen sich klassische Männerdomänen mit den Wünschen und Besonderheiten einer weiblichen Belegschaft auseinandersetzen. Selbst wenn anfänglich das gleiche Gehalt für den gleichen Job bezahlt wird, können unter anderem die Zeit der Karenz, die Rückkehr aus der Karenz in einen Teilzeitjob oder das unterschiedliche Verhandlungsgeschick bei Gehaltsgesprächen die Lohnentwicklung empfindlich beeinflussen. Ein Grund, das Thema Equal Pay systematisch auf der Agenda zu haben.
4. Gastronomie und Pflegeberufe
Seit COVID ist die Wechselbereitschaft der Mitarbeitenden weltweit massiv gestiegen – allen voran Mitarbeiterinnen aus der Hotellerie/Gastronomie und den Pflegeberufen- weil sie sich angesichts der vielen offenen Stellen bei einer neuen Arbeitgeberin bessere Chancen ausrechnen.
Maßgeblich dazu trägt die Tatsache bei, dass viele Unternehmen, die sich über Mangel an Köchen, Kellnern und Pflegepersonal beklagen, nach wie vor weder bessere Arbeitsbedingungen noch einen Lohn über dem Mindest-Kollektivvertragsgehalt anbieten.
Hier geht es weniger um das Thema Equal Pay, gleicher Lohn für gleichen Job, sondern um Pay Equity, also vergleichbare Löhne für Jobs mit vergleichbarem Wert: warum sollten zum Beispiel Jobs in der Metallindustrie am Markt mehr wert sein als Jobs in der Gastronomie oder im Handel? Es wird Zeit, das Thema Arbeitsbedingungen und Gehalt im Niedriglohnsektor zu überdenken.
5. Wunschvorstellungen der Generation Z
Zahlreiche Studien wie zum Beispiel die von Stanford 2024 belegen, dass die Generation Z (geboren 1996 bis 2010) verstärkt Wert auf sinnvolle Arbeit, Work-Life-Balance, Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion legt. Sie suchen nach Arbeitsplätzen, die soziale Verantwortung und ökologische Nachhaltigkeit fördern.
Equal Pay, also gleiche Bezahlung für gleiche Jobs und vergleichbare Leistung ist das mindeste, was sich die jungen Arbeitnehmerinnen von einer guten Arbeitgeberin erwarten. Unterschiede in Behandlung, Beförderung und Bezahlung aufgrund von Geschlecht, Alter, Teilzeit/Vollzeit, Nationalität, Religion, besonderen Bedürfnissen werden nicht mehr hingenommen – die Akzeptanz für „old white males only“ scheint sehr begrenzt.
Laut einer Zenjob-Umfrage vom Juni 2024 wollen nur noch 22% für einen Konzern arbeiten. Und laut einer XING Umfrage 2024 liegt die Wechselbereitschaft vor allem der GenZ und der Generation Y (25-34 Jahre) weiterhin mit 61% bzw. 47% deutlich über dem Durschnitt von 43%.
Je diverser, bunter die Belegschaft im Unternehmen wird, desto wichtiger wird es für die Arbeitgeberinnen sein, alle in ihrer Unterschiedlichkeit einzubinden und ihnen ein Gefühl der Fairness und des Miteinanders zu vermitteln, denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, stellt sich der Unternehmenserfolg ein. Und Equal Pay ist dabei nur die Spitze des Eisbergs!
Autorin: Martina Ernst, MBA